Unter Nashörnern und mordenden Elefanten

Nepal ·   ·  8 min zu lesen

Ein Serienmörder, eine Reihe Misshandlungen und eine Fährtensuche. Das alles klingt wie eine True Crime Geschichte war aber vielmehr Teil unserer Tage im Süden Nepals, Nahe der indischen Grenze. Wir berichten von Mord und Todesgetrampel, von einer Jagd nach den gefährlichsten Lebewesen Asiens und einem schlafwandelnden Rhinozeros.

Neben dem Bergsport und den zahlreichen buddhistischen Bauten gibt es in Nepal auch eine vielseitige Flora & Fauna zu bewundern. Besonders viel davon gibt es im Chitwan National Park, einem riesigen Naturreservat zwischen Nepal und Indien. Der ganze Park besteht zu einem Teil aus Wald, zum anderen aus himalayanischem Grasland. Und was sich dort so im Unterholz und auch sonst überall versteckt verschlägt einem wirklich den Atem. Es gibt dort, mit ein bisschen Glück, Nashörner, wilde Elefanten, Leoparden, unverhältnismäßig viele Tiger und hunderte Vögelarten zu entdecken.

Als wir in Chitwan ankamen lernten wir aber auch schnell eine Kehrseite des Toursimus und des Parks kennen, direkt aus dem Bus ausgestiegen mussten wir schon einer Gruppe Elefanten weichen, die ihre schwere hölzerne Last über weite Strecken transportierten. Die meisten der Elefanten hier leben in schrecklichen Verhältnissen, sind durchgehend entweder angekettet oder damit beschäftigt, Touristen und andere Güter durch den Dschungel zu transportieren. Ein trauriges Schicksal für ein so intelligentes und bewundernswertes Tier. Es ist wohl so, dass durch das schwindende Ansehen der Maouds, der traditionellen Elefanten-Führer, auch die Qualifikation des Berufstandes stark gelitten hat, und dadurch bedingt auch die Lebensqualität der in Gefangenschaft lebenden Elefanten. Außerdem ist es, wie wir von einer örtlichen NGO gelernt haben, auch sehr schwer, weitere Elefanten in die Freiheit zu entlassen. Die nepalesische Regierung untersagt dies aus Angst, noch weitere Todesfälle in der Bevölkerung zu erhalten. Immerhin sind die wilden Elefanten hier noch weit gefährlicher und tödlicher als die zahlreicheren Tiger. Ronaldo, ein besonders berühmtes Exemplar, hat wohl schon ein Dutzend Menschen auf dem Gewissen, eine Vorstellung die es eher selten in die Fantasien westlicher National Geographic-Fetischisten schafft. Der Köpfe-zerkauende, Killer-Elefant passt nicht so ganz zu unserem Bild eines friedliebenden Rüsselträgers.

Doch diese ersten Elefanten die uns da entgegen kamen waren keineswegs gefährlich. Die in Gefangenschaft befindlichen Säuger machen uns vielmehr jedes Mal traurig, denn das ist es, wenn wir ansehen müssen wie sehr diese besonderen Tiere unter der schlechten Behandlung leiden müssen. Aber nach diesem kurzen Ausflug zu den Giganten komme ich erstmal wieder zurück zu unserem eigenen Abenteuer.

Wir hatten beschlossen für zwei Tage auf die Suche nach Tieren zu gehen. Früh am Morgen trafen wir uns mit unseren beiden Guides, 2 erfahrene Führer die schon seit mehr als 20 Jahren Touren durch den Park anbieten, am Rand des Waldes. Mit einfachen Bambusstöcken bewaffnet gaben sie uns gleich zu Beginn einen kurzen Survival-Crashkurs. Sollten wir einem Bären begegnen wäre es am besten, ganz eng zusammen zu stehen und laute Geräusche zu machen. Bei einem Tiger wären die besten Überlebenschancen beim langsamen rückwärtslaufen gegeben (niemals den Rücken zum Tiger oder gar wegrennen. Hochklettern hilft natürlich auch nicht). Bei einem Nashorn wäre die beste Taktik Zick-Zack-Laufen und bei einem Elefanten einfach so schnell rennen wie möglich. Eigentlich ganz einfach. Als sie uns dann die ersten frischen Tigerspuren auf dem schmalen Pfad zeigten wurde das ganze schnell ein bisschen konkreter. Die Holzstöcke unserer Guides waren sicher eine ausreichende Bewaffnung gegen die Klauen eines Lippenbärs.

Danach ging es dann auch direkt los. Alle paar Meter gab es ein neues Indiz eines mehr oder weniger tödlichen Tieres das wir verpasst hatten. Mal waren es die Kratzspuren an einem Baum, die uns klar machten dass es sich bei den Tigern nicht um kleine Schmusekätzchen handelte, mal war es der riesige Kothaufen eines Nashorns, mal nur ein großer Fußabdruck von Ronaldo. Unsere Vorfreude wuchs zusammen mit einer gewissen Beklemmung. Sollten wir nun hoffen, einen Tiger zu entdecken oder eher befürchten hinter der nächsten Ecke vor Ronaldo zu stehen? Gespannt ging es dann also die engen Pfade durch meterhohes Elefantengras, vorbei an Sümpfen oder durch beschauliche Sal-Wälder.

Und dann, urplötzlich, machte der vordere Guide eine hastige Bewegung und wir duckten uns instinktiv ins hohe Gras hinein. Ein paar ruhige Minuten spähte Manoj in die verschiedenen Graslücken die er finden konnte und wir suchten unseren Atem, so leise waren wir. Es lag etwas in der Luft, dass sich nicht so einfach beschreiben lässt, die Spannung war kaum auszuhalten. Dann, in die nur durch Vögel durchbrochene Stille hinein, durchbrach ein lautes Schnaufen neben uns im Gras unser Warten. Noch immer war allerdings nichts zu sehen, was auch Manoj beunruhigte. Wir planten im Kopf schon eifrig, wie genau wir jetzt Zick-Zack laufen könnten auf einem Weg, der von hohem Gras gesäumt keinen Meter breit war als unser Guide kurzerhand entschloss, es wäre besser auf einen nahegelegenen Baum zu klettern um vielleicht eine bessere Übersicht zu bekommen. Oben angekommen war allerdings immer noch nichts zu sehen und nach ein paar weiteren Minuten brachen wir dann doch unser provisorisches Baumhaus ab und folgten weiter dem Weg. Später erfuhren wir, dass wir vermutlich knapp ein Nashorn verpasst hatten dass sich direkt neben uns vielleicht einer Erkältung widersetzt hatte. Ein nur zu gut nachzuempfindendes Verlangen wie wir nach langen Tagen in den kalten Bergen wussten.

Aber nachdem uns der Blick auf das eine Nashorn verwehrt blieb ging es dann doch relativ schnell bis dessen Kumpanen stolz ihre grauen Hörner präsentierten. Wir beobachteten wie ein besonders großes Exemplar vor uns den Weg überquerte, nicht ohne zuvor noch mal leger die staunenden Touristen zu betrachten. Ein weiteres fanden wir gut versteckt im Dickicht schlafen, ein drittes bahnte sich am Abend einen Weg durch das Unterholz zum Fluss hin. Nachdem der erste Knoten schnell geplatzt war waren die Nashörner immer wieder zu entdecken, wir waren von Glück gesegnet. Und immer wieder Tigerspuren. Aber das sind natürlich nur die großen Tiere von denen es natürlich zu berichten gilt. Die kleineren oder etwas weniger spektakulären finden vielleicht nur seltener in die Erzählungen der begeisterten Parkgäste, sie sind aber nicht weniger faszinierend zu beobachten.

Wir sahen große Gruppen an Rehen im Wald die ebenso interessiert an uns schienen wie wir an ihnen, beobachteten auf jedem zweiten Baum einen Pfau seine stolzen Federn präsentieren und auch ab und zu ein Wildschwein, ein möglicher Nachfahre des Urröchlers, im Dickicht verschwinden. Alle paar Meter unserer langen Wanderung gab es etwas Neues zu entdecken, und wenn es auch nur die ruhigen Krokodile am Flussufer waren die entspannt in der Sonne lagen.

Der zweite Tag war dann noch mehr dem Tiger gewidmet, nur ein Tag vor unserer Ankunft hatte unser Guide-Paar sogar gleich 2 Tiger gesehen. Ein Ereignis, das trotz der vielen Spuren die die 200 Kilo schweren Tiere hinterlassen nur sehr selten vorkommt. Normalerweise sähe man einen Tiger vielleicht ein bis zwei mal pro Monat wurde uns gesagt, es sei also nicht damit zu rechnen. Schon im Morgengrauen legten wir uns auf die Lauer an einem Sumpf-Gebiet von dem aus wir eine gute Sicht auf die vorbeiziehenden Rehgruppen hatten. Als wir dann die ersten charakteristischen Warnrufe vernahmen, die Rehe wohl nur bei Tigern oder Leoparden nutzen klopften unsere Herzen doch merklich schneller. Wir konnten sogar kurz einen weit entfernten Tiger rufen hören, vielleicht um das Baby zu suchen.

Letztlich hatten wir auch trotz mehrfacher Reh-Warnrufen an unterschiedlichen Orten den ganzen Tag keine Tigersichtung, aber das war auch nur halb so „Wild“, denn die anderen Tiere und besonders auch die Landschaft entschädigte uns doppelt und dreifach dafür.

Wir hatten zwei aufregende Tage im Urwald die durch ebenso spannende und schöne Tage in dem kleinen Ort Sauraha umrahmt wurden. An einem Morgen stolperten wir zum Beispiel im dichten Morgendunst fast in ein anderes Nashorn. Zum Glück konnten wir gerade noch die Umrisse des riesigen Tieres ausmachen und so hatten wir die Chance quasi alleine gleich mehrere Stunden mit dem noch sehr müden Tier zu verbringen. Wir setzten uns in gebührendem Abstand etwas erhöht neben das Tier und hatten gemütlich Zeit zu sehen, wie das arme Wesen regelmäßig aus dem Traum gerissen wurde weil immer mal wieder ein Rabe der Meinung war die süßen Ohren oder die Augen des grauen Bergs zu bepicken. Nach mehreren Stunden unruhigen Schlafes machte es sich letztlich auf, sein Glück in den Tiefen des Urwalds zu suchen, und wir machten uns auf die Suche nach einem neuen Ort.

Chitwan war ein natürliches Highlight, ein Abenteuer dass uns für jeden nicht besuchten Zoo entlohnte und uns wiedereinmal lehrte wie komplex und spannend unsere Umwelt ist. Wenn man sich viel Zeit nimmt, die Natur in all ihren Facetten zu beobachten scheint es unverständlich, wie überhaupt Langeweile aufkommen kann. Es gibt einfach immer etwas interessantes zu entdecken, und wenn es auch „nur“ Nashörner am Strand sind.

P.S. Für ein paar weitere Fotos habe ich eine kleine Foto-Galerie eingerichtet.

Robin

Der Ersteller und Maintainer dieses Blogs. Außerdem scheint er gerne zu jonglieren...

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