An einem der entlegensten Winkel Vietnams, weit im Norden lernten wir einen eigenwilligen und lautstarken Freund kennen, der uns für einige Tage durch das atemberaubende Hagiang-Gebirge begleitete. Wir hatten mit ihm eine Fahrt, die uns durch Höhen und Tiefen führte, über Berge und vorbei an den schönsten Orten in Nordvietam, ja vielleicht sogar den schönsten Landschaften in ganz Vietnam.
Kennenlernen durften wir Hondaba schon gleich bei unserer Ankunft in Ha Giang. Er wurde uns von einem Motorrad-Vermieter vorgestellt und es war eigentlich Liebe auf den ersten Blick. Zumindest für uns. Die geschwungene Brustlinie, die feinen Beine-ersetzenden Räder, die leidenschaftlich geformte Frontpartie und der weiche Rücken überzeugten uns. Doch während wir uns mit Hondaba schon sicher waren konnte Hondaba sich wohl noch nicht so recht entscheiden, so gab er sich zu beginn unserer Reise recht bockig. Gleich nach den ersten 100 Metern bei regennasser Fahrbahn schrie er laut auf, und warf mich kurzerhand mit einem geschickten Manöver von seinem Rücken.
Da lag er nun, trotzig und ein wenig beschämt, mitten auf der Straße und ließ mich buchstäblich im Regen stehen. Ein paar Schrammen hatte er sich auch dabei zugelegt, welche er, beleidigt wie er war, nicht behandeln lassen wollte bis wir ihn dazu zwangen. Doch diese anfängliche Laune verkehrte sich schon bald in eine wunderbare Symbiose aus zarten Lenkbewegungen meinerseits und zufriedenem Schnurren seinerseits. Hondaba Knatter, und er machte nach diesem ersten kleinen Ausrutscher seinem Namen alle Ehre, knatterte während den nächsten 300 Kilometern die wir in jenen Tagen mit ihm reisten gemütlich über die zumindest manchmal gut befestigten Wege des Hagiang-Loops, einer Bergpass-Route an der chinesisch-vietnamesischen Grenze.
Eine Situation schweißte Hondaba und mich besonders zusammen. Wir fuhren zu dritt an einem frechen Paar Jungen vorbei, die am Straßenrand lungerten. Zuerst wunken sie interessiert doch als wir dann in Reichweite waren versuchten sie, uns direkt ins Gesicht zu spucken, und das gelang ihnen sogar. Da war der Schreck natürlich groß. Hondaba machte sofort Halt und schickte sich an, seiner Wut freien Lauf zu lassen. Er knurrte laut und mir gelang es nur mit Mühe, ihn von einer Unglückstat abzuhalten. Wie sich aber herausstellte, war diese Mühe jedoch sogar umsonst, denn während ich mit Hondaba’s sprunghaften Temperament beschäftigt war hatte Maren die Chance genutzt und ihr Lehrerinnen-Temperament voll zur Schau gestellt. Mit in den Himmel erhobenen Zeigefinger schimpfte sie mit den völlig verdatterten Jungs. “Was soll das, das ist wirklich unerhört!”. “Nein, das geht üüüüberhaupt nicht!, sag mal spinnt ihr?” fragte sie aufgebracht und mit einem Blick, den selbst Hondaba zum Zittern gebracht hätte. Obwohl auf der Sprachebene vermutlich nicht viel Hängen blieb waren die Jungs tiefst beeindruckt und schämten sich offensichtlich in Grund und Boden. Uns beiden taten sie im Nachinein auch schon fast ein bisschen Leid aber ich traute mich nicht, Maren Einhalt zu gebieten. (Schlenkersche Übertreibung) Hondaba und ich schauten uns verblüfft an, die Jungs schauten Maren verängstigt an, Maren schaute die Jungs vorwurfsvoll an und da zu meiner Verwunderung am Ende niemand tot um fiel suchte Hondaba so schnell er konnte das weite und ließ uns dieses unschöne Kapitel unserer Reise schnell wieder vergessen.
Als wir uns dann miteinander aufwärmten konnte uns der etwas in die Jahre gekommene aber auch sehr erfahrene Straßendrache so einiges beibringen. In diesen glücklichen Tagen zu dritt zeigte er uns etwa die sehr arme Lebensrealität der unterschiedlichen Volksgruppen Nord-Vietnams. Immer wieder begegneten wir alten Freunden Hondabas und mussten mit Ehrfurcht feststellen, dass dort selbst direkte Nachbarn oft nicht miteinander sprechen können, da sie aus unterschiedlichsten Sprach- und Kulturräumen stammten. Wir sahen 4-Jährige die lange Wanderungen mit ihren noch kleineren Geschwistern auf den Rücken zurücklegten, sahen Jugendliche die mit einem Bullen zusammen versuchten, noch aus den letzten Winkeln der so unwirtlichen Berghänge ein paar Kilo Gemüse herauszuholen und beobachteten auch Erwachsene, die kilometerlange Wege mit unendlich schweren Säcken voller Rüben wanderten. Hondaba machte uns auch auf den schrecklichen Kontrast aufmerksam, den hier der vermeintliche Luxus-Tourismus gegenüber den Einheimischen darstellte. Auf der einen Straßenseite liefen inländisch wie ausländische Touristen mit Prada-Taschen von Sky-Walk zu Herzchen-Fotopose und auf der anderen warteten die Einheimischen oft stundenlang auf den nächsten Bus zum Marktplatz. Auf dem Marktplatz verzweifelte ein Bauer bei dem Versuch, zwei Hühner auf eine Waagschale zu belassen, die Hühner waren anderer Meinung und entschieden, in unterschiedlichen Abständen Reißaus zu nehmen um nach dem Getreidestand zu hüpfen.















