“A land for you and me and a russian Lullaby” klingt es aus den Boxen. Im Hintergrund spielt der Saxophonist eine etwas getragene, aber flotte Melodie die den Trompetenspieler nur noch mehr dazu anstachelt, die Grenzen der Harmonie auszuloten. Vor der Band dreht sich alles in alle Richtungen, es wird gesprungen, gelacht, geschüttelt und die ganze Menge wuselt im schnellen Takt über die Tanzbühne. Mitten drinnen: Ein deutsches Paar frisch gebackener Lindy Hop Tänzer, weniger mit der Korrektheit der Tanzschritte als viel mehr mit der Musik und ihrer Improvisation beschäftigt. Eine kleine Fußbewegung wird aufgegriffen und vom gegenüber verstärkt, ein schräger Blick sorgt für noch mehr schräge Blicke und ein wildes Lächeln des Tanzpartners. Hinternwackler, unkontrollierte Armbewegungen und etwas definierte Tanzschritte wechseln sich ab. Wild wird versucht, dem Takt zumindest ein wenig nachzukommen, doch auf der engen Tanzbühne zwischen unzähligen besonders talentierten Thais kein einfaches Unterfangen. Noch ein paar Tusche von der Swing-Band und wir suchen eine elegante, finale Position. Erfolglos lehnen wir uns aneinander und haben jede Menge Spaß bei unserem missglückten Tanzende.
Die Band stimmt direkt ein etwas ruhigeres Stück an und wir suchen für ein paar Sekunden einen Ort um ein paar Schlucke Wasser und Luft zu uns zu nehmen. The Hop, eine Swing-Bar in Bangkok, erlaubt es uns glücklicherweise sogar unser eigenes Wasser mitzubringen, anderenfalls wären unsere nächtliche Gliedmaßschütteleien wohl ein unbezahlbares Unterfangen. Auch ohne Maren wegen der lauten Musik zu hören verstehe ich ihre Gesten und begleite sie 2 Stockwerke hinunter in der Hoffnung, draußen einen kühlen Lufthauch zu finden. Klar hätten wir es besser wissen, aber zu spät bemerken wir, dass die stickige, schwere Luft im Hop sogar noch die bessere Variante gewesen wäre. Zu dieser Jahreszeit beginnt in Bangkok zunehmend die hitzige Sommersaison und wir halten es keine 10 Minuten draußen aus, zumindest nicht ohne ein leckeres Eis. Ein paar Schlecker oder Bisse (Jeder isst sein Eis ja etwas anders) später liegen wir schon wieder einander in den Armen und gehen nochmal die letzte Swing-Figur im Trockenen durch. Nur wenige Stunden zuvor hatten wir eine weitere tolle Solo-Lehrstunde von Roman und Dasha, einem jungen russischen Tanzpaar dessen Tanzstil so wild, unkonventionell und verrückt ist, dass mir schlicht die Worte fehlen um ihn zu beschreiben, bekommen. Wie war das noch mit dem linken Arm beim Swing-Out, aufdrehen wie eine Schranktür und dann einfach drehen lassen? Die mittägliche Unterrichtsstunde mitten in einer süßen Jugendstil-Bar mit Livemusik scheint schon Jahre her, so schwer sind unsere Arme mittlerweile. Doch an ein Aufhören ist nicht zu denken, hier wird heute wieder bis zum letzten Lied getanzt.
Als wir nach ein paar mäßig erfolgreichen Swing-Outs wieder hoch zum Tanzen stolpern stimmt die Band direkt Tuxedo Junction an und alle versammeln sich zum weltweit getanzten Flashmob “Shim Sham”. Die Deutschen haben den noch nicht so richtig gelernt und sind also wieder zum zuschauen verdammt, aber was ist das auch für eine tolle Show. Sicher hundert Tänzer(innen), in schönster 20er Jahre Stil herausgeputzt, bewegen sich synchron im humorvollen Takt. Die Krönung des Shim Shams ist das gemeinsame Tanzen am Ende, bei dem jeder Teilnehmer sich per Zufall mit einem anderen trifft und noch ein paar wilde Takte gemeinsam tanzt. Direkt im Anschluss, so haben wir es immer im Hop erlebt, gibt es dann eine kurze Vorstellung der besonderen Gäste und einen Tanzkreis, in dem diese dann in immer wechselnder Paarung mit den besten oder mutigsten Gastgebern vor allen anderen swingen. Das ist besonders im Hop immer ein Spektakel, denn die Tänzer hier sind so leidenschaftlich dass selbst die Band ein paar mal aus dem Staunen nicht herauskommt.
Da Lindy Hop ein Social Dance ist werden auch den ganzen Abend über wild die Tanzpartner gewechselt. Manchmal fühlen wir uns natürlich fehl am Platz wenn die besten Tänzer der Stadt durch unsere klobigen Handbewegungen gefesselt sind, aber die besonders Kreativen nutzen das meist eher als eine zusätzliche Lehrstunde und ein wenig Spaß mit den Fremden, sie kennen ja selbst diese anfängliche Verlegenheit. In unseren Händen tanzen russische Kriegsflüchtlinge, europäische Expats, junge Thailänder und frisch eingeflogene Chinesinnen und wir alle verständigen uns fast ausschließlich über die Musik und unsere Bewegungen.
So zieht sich der Abend über einige Stunden bis in die für uns Reisende schon tiefe Nacht und wir haben den Tanzspaß unseres Lebens. Es ist wirklich ein Lullaby, ein Schlaflied, aber ein flottes das unsere Zeit in Bangkok definiert. Wir träumen von Tanzschritten, von Swing-Outs und dem verrückt tanzenden Roman als nach 2 Wochen so langsam unsere Zeit in Bangkok dem Ende zugeht. Dem Ziel der Stadterholung sind wir vielleicht nicht näher gekommen, stattdessen haben wir aber jede Menge Tanzschritte, Erfahrungen und ausgelassenen Spaß gehabt. Das ist doch auch mal was!



