Pashupatinath, oder: Der Ort der jedes Mal anders ausgesprochen wird

Nepal ·   ·  4 min zu lesen

Heute schreibe ich vom Tod und der Geburt neuen Lebens, von einer lebendigen Religion im Angesicht wachsendem Tourismus’. In unseren letzten Tagen in Kathmandu hatten wir noch die Gelegenheit Patapushinath zu besuchen. Puthupashinath ist, ähnlich wie das viel bekanntere Varanasi in Indien, ein heiliger Ort im Hinduismus an dem Familien ihre Verstorbenen Verwandten mit einer religiösen Zeremonie verabschieden können. Mitten in Kathmandu, in unmittelbarer Nähe zum Flughafen, ist Pathapashinuth eine Tempelstadt im großen Stil. Mehrere hundert Gebäude umrahmen den Ort und die wichtigsten Tempelanlagen direkt an einem kleinen Fluß, dessen Wasser nach etlichen Bestattungen am Tag sicher nicht zum Baden genutzt werden sollte.

Gleich nach dem Eingangstor wurden wir in Paschtaputhinut mit den wichtigsten Feierlichkeiten konfrontiert. Nach nur wenigen Metern kamen wir direkt an einer Reihe Bestattungs-Emporen vorbei, auf denen mehr oder weniger gare Leichname kremiert wurden. Wir beobachteten mit gebührendem Abstand, wie eine Familie ihren toten Familienvater auf einem Scheiterhaufen aufbahrte und ein Priester zusammen mit dem ältesten Sohn die Kremation einleitete. Seltsam und traurig fühlte es sich an, mitanzusehen wie der Sohn mit einer brennenden Fackel drei Mal im Kreis um den Verstorbenen schritt, und am Ende der Prozession den Scheiterhaufen in Brand steckte. Die Fackel selbst kam dann in den Mund des Leichnams, dem religiösen Anfang des Lebens wie wir lernten. Zuletzt wird dann von einem Priester mit einer Muschel ein Aufruf an die Götter geblasen, der sie darauf aufmerksam machen soll, dass eine neue Seele die Erde verlässt.

Auf mehreren Scheiterhaufen am Flussufer fanden zu jeder Zeit mehrere solcher Bestattungen statt, und während die eine Familie noch nicht mit dem Kremieren begonnen hatte wurde gleich im benachbarten Bereich die verbliebene Asche in den Fluss gekehrt. Von Anfang an fühlten wir mit den Trauernden, auch wenn das besonders im weiter oben gelegenen Teil der Anlage nicht immer ganz so leicht war. Während unten am Fluss die Trauerfestlichkeiten stattfanden kamen weiter oben hauptsächlich Jugendliche Nepali zu einer Besichtigung zusammen. Es schien so, als ob Paschpuschtinath einer der beliebtesten Spots für Jugendliche war. Da wird dann direkt über den brennenden Überresten der Vergangenheit ein neues TikTok-Video gemacht, ein Foto-Shooting jagt das Nächste und wenn gerade kein Photograph zur Stelle war wurde einfach nur gemeinsam gechillt und gequatscht. Ganze Gruppen versuchten zum Beispiel spielerisch blind durch die Tempel zu gehen ohne an den Wänden anzustoßen.

Westliche Touristen sahen wir eigentlich kaum, es scheint ganz so, als ob die meisten Touristen in Nepal eher am Trekking interessiert sind. Dennoch gab es eine ganze Armee an photogenen Sadhus, die sich für ein paar Rupien vor die Kameras schmissen. Wir haben uns auch gefragt, was genau diese bis an die Haarspitze bemalten Figuren jeden Morgen durchmachen müssen, nur um dann den ganzen Tag für so wenig Geld auf ein Photo zu hoffen. Oder wie sähen alternativ die Betten dieser Gurus aus, wenn sie sich nicht jeden Tag abschminken würden? Man kann nur hoffen, dass sie keine wasserfeste Schminke verwenden und noch eine andere Wasserstelle als den lokalen Fluss kennen. Zu nah wollten wir ihnen auf jeden Fall nicht kommen, diesen etwas schrulligen, unheimlichen alten Männern mit den Vollbärten.

Als wir so entspannt durch die weiter oben gelegenen Tempelanlagen spazierten mussten wir neben pubertierenden Nepalesen auch einmal dem Wunder der Evolution ausweichen. Ein freier Bulle war der Meinung bei all dem Tod um ihn herum sei es an der Zeit auch ein bisschen Leben in die Welt zu spritzen. Geradeso konnten wir und die anderen Besuchenden ihm auf seiner Jagd hinter den wenigen freien Kühen ausweichen, nur Sekunden bevor es ihm gelang seine sicher beeindruckenden Gene an die nächste Generation weiterzugeben. Ein etwas absurdes Schauspiel mitten unter Trauernden und den fürs Photo lächelnden Sadhus. Aber irgendwie war es auch ganz passend für einen Ort, der uns mehr beeindruckte als die meisten der alten Tempelbauten in Kathmandu aber auch ein bisschen gespalten zurückließ. Es war ein schwieriger Drahtseilakt die Trauernden nicht zu stören, gleichzeitig aber auch den Ort und seine Geschichte in uns aufzusaugen. Das alles im Beisein von offensichtlich touristischen Angeboten und wenig an der Religion interessierten Jugendlichen. Paschtapaschta war aber auf jeden Fall einen Besuch wert, wir bekamen hier gleich mehrfach Einblicke in die nepalesische Kultur die tiefer gingen als sie jeder “The North Face”-Verkäufer in Thamel je für uns hätte geben können.

Robin

Der Ersteller und Maintainer dieses Blogs. Außerdem scheint er gerne zu jonglieren...

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