Huiuiui Hue

Vietnam ·   ·  5 min zu lesen

Als wir nach Hue kamen waren wir einerseits mal wieder total übermüdet, schlecht gelaunt ob des wässrigen Wetters und ein wenig enttäuscht in der Erwartung ein paar weiterer, vielleicht wenig interessanter Tempel. Aber als wir nach ein paar Tagen weiter in Richtung Norden in den Bus stiegen war die Zeit wie im Fluge vergangen. Vor unseren inneren Augen schwärmten wir noch von den Tempelanlagen, den wunderschönen Spaziergängen bei den Grabstätten einiger vergangener Kaiser und von einem ehemaligen Lost Place, der dank Tik Tok und Co. nicht mehr ganz so Lost war wie er es hätte sein können.

Hue, gelegen im schmalen Zentralvietnam, war lange Zeit eine wichtige Hauptstadt Vietnams. Hier gab es eine ganze Dynastie an Kaisern, die im 19. und 20. Jahrhundert ihre doch recht geschmackvolle Baukunst verbreiteten. Selbst unter der Herrschaft der französischen Kolonialmacht wurde hier, am heiligen Kaiserhof, die Tradition und die Ehrwürdigkeit eines großen Herrschers weiter zelebriert. Ein zentraler Anlaufpunkt dafür ist das historische Zentrum, die sogenannte “Antike Zitadelle”. Obwohl dort zwar nicht ein Hauch der tatsächlichen Antike zu finden ist (Da haben sich ein paar übereifrige Historiker wohl zu sehr in den feuchten Träumen griechischer Philosophen verfangen, und nebenbei 1 1/2 Jahrtausende daneben gegriffen) gibt es hier allerlei zu sehen. Wären da nicht die Amerikaner gewesen, die wohl während dem Vietnamkrieg wie auch während aller anderer von ihnen geführten Kriege (Schaut euch einfach mal Avatar an) Ruinen und Paläste mit Kriegsindustrie verwechselten.

Den heutigen Besuchern bleibt aber dennoch einiges zum Besichtigen, denn die Vietnamesen haben ganze Arbeit geleistet den mehrere Hektar umfassenden Palastbereich zumindest teilweise wieder zu restaurieren. Und so spazierten wir durch die chinesisch-anmutenden Paläste, die ganze Anlage ist nach dem Vorbild der verbotenen Stadt aufgebaut, und entdeckten hinter jeder Türöffnung weitere, prachtvolle Pagodenbauten. Immer wieder mussten wir die Schuhe ausziehen, denn die zahlreichen buddhistischen Tempel verlangen nach einem barfüßigen Bittsteller. Da gibt es dann tolle Runddächer, schöne Holzgebäude mit aufwändigen Wandbemalungen und anderen vietnamesischen Motiven zu entdecken. Immer wieder stolpert man auf dem großen Gelände auch über Bonsai-Wälder und Miniatur-Berge mit kleinen Pagoden und Tierchen drapiert.

Besonders spannend zu beobachten sind auch die vielen herausgeputzten Vietnamesinnen. In Hue, wie auch an vergleichbaren Orten, kommen regelmäßig junge Menschen hin, die sich in einem traditionellem Kostüm von ihren Partnern fotografieren lassen wollen. Da wird dann der typische Spitzhut aufgezogen, ein blumenverziertes Kleid angezogen und im besten Fall noch eine Wasserlilie in die Hand gedrückt. Ob diese Fotos dann auch selbst genutzt werden, oder ob sie eher zur Wahrung des Scheins an die Familie geschickt werden haben wir noch nicht gefragt. Meist sind diese Gäste aber auch viel zu beschäftigt mit ihren eigenen Fotoshootings, da bleibt kaum eine Sekunde zur gepflegten Diskussion mit den seltsamen Touristen mit Safari-Schlabberhut.

Aber auch abseits des historischen Zentrums haben wir in Hue wunderschöne Bauwerke vorgefunden. Wir haben zum Beispiel 3 Begräbnisstätten der unterschiedlichen Kaiser kennengelernt und dadurch herausgefunden, wie unsere spätere Grabstätte aussehen könnte, wenn wir denn ein paar vietnamesische Sklaven zur Hand hätten und die Grundstückspreise nicht ganz so hoch wären. Aber das wäre dann ja auch ein Problem für die Nachwelt. Die Stätten die wir besucht haben waren alle wirklich perfekt dafür ausgelegt, Zeit mit den Verstorbenen oder mit sich selbst zu verbringen. Allesamt waren es ruhige, ästhetisch in die Natur hineingelegte Anlagen mit viel Raum für Spaziergänge oder Zeit für sich selbst. Natürlich fehlt den Anlagen auch nicht die entsprechende Eleganz, doch der Wohlstand der Kaiserdynastie ist hier nicht völlig überwältigend oder pompös dargestellt. Vielmehr wandeln wir durch grazile Anlagen die einen eher dazu einladen, zur Besinnung zu kommen anstatt sich mit weltlichen Belangen zu beschäftigen.

An einem Grab wandelten wir über wunderschöne Holzbrücken, an gemütlichen Seen vorbei durch einen ruhigen Wald. Das einzige Detail das uns ein bisschen an den Tod erinnerte war die drohende Gefahr, selbst ins Jenseits befördert zu werden. Das regnerisch nasse Wetter sorgte dafür, dass die alten, gefliesten Wege eher einer Eiskunstlaufbahn glichen. Aber auch das wiederum sorgte eigentlich nur dafür, dass wir einander noch näher kamen. Denn ohne die stützende Hand des anderen wären wir vielleicht nicht mehr hier um davon zu berichten. Andererseits wären wir so entweder gar nicht oder eben zusammen in den Unfall geschlittert, was ja auch etwas romantisches an sich hat.

Die letzte Station im Umland von Hue war dann mal etwas ganz anderes. Wir hatten zufällig mitbekommen, dass es einen verlassenen Wasserpark nur wenige Kilometer von unseren Fast-Tod-Erfahrungen mit den glitschigen Wegen gab. Also aufgesattelt auf unseren Roller und schon waren wir auf dem Weg zum Park. Wie das nunmal so ist mit Lost Places war es zu Beginn gar nicht so einfach, den Ort zu finden. Wir nutzten ein paar Schleichpfade und mussten mehrfach einen neuen Weg suchen. Als uns dann aber immer mehr Teenies auf Rollern entgegen kamen wurden wir uns sicherer. Sicherer aber auch, dass der Lost Place vielleicht weniger lost als place sein würde. Und so kam es dann letzten Endes auch. Wir entdeckten den großen Wasserdrachen schon von Weitem und düsten vorsichtig, Schlammpfützen ausweichend, bis an den Steg zum ehemaligen Aussichtsturm. Da war dann aber auch Schluss mit lustig, eine Wache versuchte verzweifelt eine Gruppe Teenies und die paar westlichen Touristen davon abzuhalten selbstmörderisch auf die Drachenruine zu klettern. Wir entschieden uns nach kurzer Beobachtung dieses Treibens für eine wilde Tour um den See herum und wurden für unsere hinterher dreckigen Schuhe auch belohnt. Abseits von den jungen Besuchenden beim Drachen fanden wir eine völlig vereinsamte, ehemalige Rutschanlage und weitere Zeugnisse alten Wasserspaßes.

Hue überraschte uns im Nachhinein mit einer riesigen Auswahl graziler Tempelanlagen, und dem Beweis, dass es in Vietnam auch außerhalb der großen, klassischen, und manchmal auch kitschigen südostasiatischen Tempel viel Raum für geschmackvolle Anlagen gab und gibt. Auch die Natur ist hier wie auch bisher sonst in ganz Vietnam ein wunderschöner Drache, den zu bändigen die Vietnamesen mal wieder perfekt gemeistert haben.

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Robin

Der Ersteller und Maintainer dieses Blogs. Außerdem scheint er gerne zu jonglieren...

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