Nach unseren Tagen in Ägypten und Jordanien sowie einer intensiven Zeit in Mumbai hatten wir uns fest vorgenommen, uns in Goa am Strand einige Zeit auszuruhen. Goa ist eine Region im Westen Indiens, die bekannt für ihre Strände und Urlaubsmöglichkeiten, aber auch ein wenig berüchtigt als Party- und Alkohol-Metropole ist. Wir hatten eigentlich eher ersteres im Sinn als wir, nach unserer ersten langen Nachtfahrt mit dem “Sleeper-Zug” von Mumbai im Norden Goas ankamen.
Voll bepackt mit Erwartungen, müden Augen und einem grummeligen Magen, das letzte Essen in Mumbai hatte uns einen eher unfreundlichen Abschiedsgruß hinterlassen, stiegen wir aus dem rasselnden Zug aus. Und gemäß unseren Erwartungen war der Bahnhof auch, ganz anders als der prunkvolle Kolonial-Bau in Mumbai, nicht viel mehr als ein Gleis am Ende der Welt. Palmen in jede Himmelsrichtung. Keine aufdringlichen Taxi-Fahrer versuchten unser Gepäck abzunehmen oder uns zu einer Fahrt in ihrem Drei- bis Vierräder zu überzeugen. Da waren nur wir, ein russisches Reisepaar und die Treppe hinab ins Paradies.
Schon bald bemerkten wir allerdings, dass nicht nur das Paradies auf uns wartete. Unten angekommen standen dann doch ein paar selbstbewusste Taxifahrer mit verschmitztem Lächeln. Als wir mit den üblichen Verhandlungen anfingen wurde uns auch schnell bewusst, woher die fehlende Motivation der Fahrer kam, sich um uns zu bemühen. Hier, am Tor zur Erholung, waren Taxipreise ausgemachte Sache. Es gab einfach keine Fahrt unter 500 Rupien, also ungefähr dem 3-4 fachen der Preise in Mumbai. Und Verhandlungen waren dementsprechend auch gar nicht möglich. Egal wohin wir mit einem Taxi fahren wollten, der absurd hohe Wegezoll war schon vor Fahrtbeginn festgelegt. Später erfuhren wir dann, dass es in ganz Goa eine Taxi-Mafia gibt die die Preise festlegt. Private Fahrten oder Absprachen waren so einfach nicht möglich. Zähneknirschend akzeptierten wir das letztlich, was blieb uns da auch anderes übrig, und ließen uns direkt zum Strand fahren.
Dort angekommen kam gleich die nächste Ernüchterung. Der “Strand”, ein bis in die Sichtweite mit Restaurants und Hotels zugebautes Gebiet am Wasser mit Sandstreifen war nur wenig schöner als die Stuttgarter Stadterholung, ein künstlich gebautes Gebiet mitten in der Innenstadt. Die Menschen denen wir begegneten waren allesamt unfreundlich und eher genervt vom Tourismus, oder russisch und nicht interessiert an Gesprächen oder einem Austausch mit zwei deutschen Packeseln. Als uns dann erneut das Essen aus Mumbai daran erinnerte, dass nicht alle Restaurants mit sauberen Wassern gewaschen sind, war die Enttäuschung komplett. Wir entschlossen, sobald wieder reisefähig, weiter gen Süden zu fahren. So hatten uns ja zahlreiche Reiseblogs versprochen, der Süden sei viel friedlicher und entspannter als der grobe Norden Goas. Und besser hätte unsere Entscheidung nicht sein können.
Nach ein paar Stunden im glücklicherweise nicht an die Mafia gefallenen Bus kamen wir dann nach einem kurzen Zwischenstopp ein zwei Tage später in Palolem an. Und da war sie nun, unsere ersehnte Strand-Kulisse. Zwar war auch hier, zumindest am Haupt-Strand, jeder Quadratmeter nicht-sandigen Bodens kommerzialisiert worden, aber wenigstens etwas mehr nach unserem Geschmack. Wo sich im Norden schreckliche Hotels und Alkoholshops den Platz streitig machten gab es hier nur eine Reihe hipper Restaurants, hübscher, auf den westlichen Geschmack ausgerichteter Shops und hunderte heimatlose Liegen die nur darauf warteten, von uns belegt zu werden. Wohin wir auch schauten gab es Angebote die ziemlich gut auf westlichen Tourismus ausgelegt waren. Es gab Workshops zum Töpfern, für Makrame und zum Erlernen des Wellenreitens.
Auch die Restaurants waren eigentlich allesamt westlich orientiert. Überall gab es Avocado-Toast, Smoothie-Bowls und andere Köstlichkeiten zu fast schon westlichen Preisen. Das war so dominant, dass wir sogar nach ein paar Tagen das so köstliche indische Essen vermissten. Nicht schon wieder ein “veganer Cacao-Nibs Smoothie-Bowl mit Schoko-Souffle” (Auch wenn ich dazu schwerlich nein sagen kann), nicht noch ein veganer Burger. “Haben Sie nicht auch ein einfaches Thali? Wenigstens ein Chapati?”.
Und neben den Annehmlichkeiten des Ortes war das eigentliche Highlight aber natürlich das Meer. Noch nie hat sich für mich ein Gang ins Wasser so sehr nach Erholung angefühlt, hat die Anspannung und Krankheit der letzten Tage so schnell aus dem Kopf gespült. Mit jedem neuen Schritt weiter ins warme Nasse erholten sich unsere Körper mehr. Sanfte Wellen schlugen uns entgegen, der weiche Sand umschmiegte unsere Füße und ließ uns jeden Stress, jedes Taxipreis-Ärgernis schnell vergessen. Schon planschten wir einfach voller Freude auf die nächsten Tage wild im Wasser. Verstörten vielleicht den ein oder anderen Touristen, auch wenn diese sich hier wirklich gut auf dem großen Strand verteilten, mit Freudengeschrei. Sicher musste auch mal ein Lifeguard einen zweiten Blick wagen wenn Maren sich mit ihrer magischen Fähigkeit ohne einen Finger zu rühren auf dem Wasser dem “Floaten” hingab, also an der Oberfläche schwebte. Mir war das nicht vergönnt also strampelte ich dann oft artig hinter der sich sonnenden Entspannung her.
Wegen der immer noch machtvollen Taxi-Mafia entschlossen wir uns, für die nächsten Tage einen Roller auszuleihen und erkundeten so auch die noch abgelegeneren Strände und Dörfer. Von den süßen, bewaldeten Hinterlandstraßen und Landschaften konnten wir einfach nicht genug bekommen. Alle paar Meter einer streunenden Kuh ausweichend fuhren wir glückselig von Strand zu Strand. Wir freundeten uns mit mehreren Einheimischen und auch Reisenden an, ließen uns massieren und hatten auch 3 Tage lang Surfstunden bei “Mumu”. Wir ließen uns in einer Schneiderei neue Jonglage-Bälle machen, gingen regelmäßig lecker essen und ergatterten auch ein paar tolle Kleidungsstücke in den von internationalen Aussteigern und Hippies geleiteten Shops. Die Tage vergingen wie im Flug, und am Ende hatten wir ganz vergessen, dass wir eigentlich nur entspannen wollten. Natürlich hatten wir den Kopf frei bekommen, aber wir hatten auch jeden Tag etwas Spannendes erlebt und waren daher nicht wirklich weniger aktiv als in den Tagen zuvor.
Dennoch war unsere Zeit in Palolem wunderschön. Wir hatten jede Menge Zeit uns auf das Meer und die kommenden Orte vorzubereiten. Und nach ein paar Ungereimtheiten mit Ganesh (Ganesh, oh Ganesh) waren wir wieder mit vollem Entdeckergeist bereit für neue Abenteuer. In Indien, Nepal, oder wo uns unsere Reise sonst noch hinbringen würde.






