Diwali in Mumbai

Indien ·   ·  6 min zu lesen

Als wir vor ein paar Tagen in Mumbai ankamen war das für uns vor Allem eines: Anstrengend. Uns wurde schon von vielen Mitreisenden berichtet, dass Indien eine weitere Stufe auf der Intensitätsskala sei. Es wäre sehr laut, umtriebig, gefährlich aber auch besonders spannend. All das mag einen wahren Kern haben, unsere Anstrengung während unserer ersten Tage hatte aber ganz andere Hintergründe. 

Noch wenige Stunden vor unserem Abflug in Abu Dhabi hatten wir noch kein Visum. Völlig übermüdet hatten wir die Nacht zuvor verzweifelt versucht, alles in die Wege zu leiten unseren, zugegeben recht knapp beantragten, Visumsantrag zu beschleunigen. Der gesamte Abflugtag war geprägt von verzweifelten versuchen ohne arabische Telefonverbindung das indische Visums-Büro davon zu überzeugen, uns noch Zutritt nach Indien zu gewähren. Als dann 4h vor Abflug das E-Visum kam flog es wirklich gleichzeitig mit unseren neuen Flugtickets nach Nepal in den Mail-Eingang. Wir hatten uns in unserer Not dazu entschieden, doch erst nach Nepal zu gehen denn dort bräuchten wir kein separat beantragtes Visum.

Es hieß nun also kurzfristig: Neuer Flug stornieren, hastig das Gepäck packen und auf zum Flughafen, letztlich dann doch noch nach Indien. Vielleicht eine kleine Alltags-Anekdote hierzu: Das Flugunternehmen bei dem wir diesen zweiten Flug kurzfristig buchten und wieder stornierten hatte passenderweise seinen Sitz in Schweden, in Uppsala. Da ist ja jede versehentliche Buchung schon vorprogrammiert. 

Als wäre das nicht schon genug war unser ohnehin schon bescheiden getimter Flug auch noch verspätet, wir konnten also nach so einem stressigem Tag noch ein paar Stunden übermüdet am Flughafen warten. Letztlich kamen wir wenige Stunden unentspannten Flugs später um 5:00 Morgens in Mumbai an, verbrachten wieder einige Zeit an irgendeiner Strandpromenade bis wir letztlich zum frühestmöglichen Zeitpunkt in unser ungemütliches Brett, a.k.a. “Bett” fielen und den halben Tag durchschliefen. So hatten wir zwar in der Theorie nicht mit Jetlag zu kämpfen, die Zeitverschiebung betrug für uns nur 2.5h, praktisch war unser Schlafrhythmus aber komplett verwirrt und unsere ersten Tage in Indien waren maximal 12h lang, wir kamen nie vor Mittag und mit weniger als 8 Snooze-Zyklen aus dem Bett.

Diese 12 Stunden suchten wir nun aber mit tollen Eindrücken zu füllen, waren wir doch, zugegebenermaßen letztlich fast unverhofft, doch noch rechtzeitig zu Diwali, dem indischen Lichterfest, angekommen. Meiner ersten Enttäuschung zum Trotz (Diwali ist das Lichterfest, nicht das mit den Farben!!) wurden wir aber auch gleich eingenommen von den mehrtägigen Festlichkeiten. Der wichtigste indische Feiertag bei dem es um den Sieg vom Leben über den Tod geht, vom Licht über das Dunkle oder bei uns: Vom schwerfälligem Aufstehen über den garstig penetranten Schlaf in unseren Augen hatte einiges für uns vorbereitet. In der ganzen Stadt wurden frische Blumengirlanden hergestellt, hinduistische Symboliken aufgehängt die einen AFDler ins schwelgen bringen würden, Festtagskleidung getragen die jeden Bollywoodfilm farblos erscheinen lassen würden und neben den großen auch kleine Straßentempel und Altäre bis an den Rand geschmückt sowie beweihräuchert. An jeder vorstellbaren Stelle wurden kleine Mini-Feiern abgehalten, z.B. vor dem mit Blumen geschmückten Lastwagen oder hinten im Stoffladen bei einem provisorisch aufgebautem Altar.

Mit, vom “Not spicy” Essen, brennenden Mündern grüßten wir also jeden lächelnden Passanten mit einem “Happy Diwali” das dann gerne kopfschüttelnd vom Gegenüber kopiert wird. (Das Kopfschütteln ist nicht nur europäisches Vorurteil sondern vor Allem auch das indische Kopfnicken als Zeichen der Bestätigung. Ihr könnt euch nicht vorstellen wie viel Willenskraft es braucht, anstatt zu nicken jedes Mal den Kopf zu schütteln, das ist ziemliche Kopfarbeit…).

Da Diwali aber auch zu großen Teilen in der Familie, abseits der öffentlichen Pfade, gefeiert wird war es gar nicht so leicht einen direkten Eindruck des eigentlichen Fests zu bekommen. Wir konnten aber am Montag, dem wichtigsten Tag Diwalis, zumindest einen besonderen Blick in die religiöse Welt des Fests erhaschen. Wir besuchten einen der größeren hinduistischen Tempel im Süden der Stadt. Von zahlreichen kleinen Öllampen, extra für diesen Tag getöpfert, begleitet kletterten wir Barfuß die längere Treppe hoch ins Heiligtum des Tempels. Immer wieder wurden an den Seiten Nischen erkennbar in denen, für unsere Verhältnisse kitschig bemalte, Nebengottheiten ihre Anbetungsstätte hatten. An jeder noch so kleinen Statue waren ein oder mehrere Personen im Gebet andächtig vereint, hinduistische Gebete rezitierend und auch den direkten Kontakt zur Statue suchend. Halbnackte Tempeldiener in orange-roten Stoffen sorgten dafür, das jeder seinen Weg nach oben fand.

Mit jedem Blickkontakt den wir mit den Einheimischen hatten wurde uns signalisiert, dass wir willkommen waren dem Fest beizuwohnen. Oben angekommen konnten wir denn auch direkt in die Prozession eintauchen. Eine große Gruppe Gläubiger, komplett durchmischt in jeder Altersklasse, hatte sich im unteren Tempelbereich zusammengefunden. Mit einer Inbrunst und Lautstärke, die jedem deutschen Pfarrer die Tränen in die Augen getrieben hätte, wurde ein Lied nach dem Anderen gesungen, fast schon geschrien. Von rhythmischem Trommeln begleitet wurde so eine sehr eindrückliche, festlich ehrwürdige Stimmung hervorgebracht. Immer wieder lösten sich einzelne Gruppen aus der Gemeinde und umkreisten die heiligen Statuen und Inkarnationen des Shiva-Tempels im Innersten, wichtigsten Raum. Unbedingt mussten zum Beispiel die Hörner des heiligen Bullen, des Reittiers Shivas, in einer bestimmten Pose berührt werden. Der mit Honig beträufelte Granit im Zentrum wurde ehrfürchtig berührt und nicht aus dem Blick gelassen, während einige sogar rückwärts die Treppen aus dem Tempel-Inneren herabstiegen.

Nach ungefähr einer Stunde in der wir einfach nur die heraufbeschworene Stimmung genossen machten wir uns langsam auf den Weg zurück in unser Hotel. Nicht ohne auf dem Rückweg noch kurz für einen indischen Lokalfernsehsender ein kurzes, aber inhaltsloses Interview zu geben. Mit Handy und Stabmikrofon kam uns ein Reporter entgegen und wollte wissen, wie oft wir hierher kämen. Auf unsere Antwort dies sei unser zweiter Tag in Indien und wir wären zum ersten Mal in diesem Tempel wirkte er zunächst etwas enttäuscht. Dann fragte er noch ein paar Mal wie die Stimmung gewesen sei und wir verabschiedeten uns letztlich von seinem sicher ebenso belustigten Publikum mit einem “Happy Diwali” und einer bestimmt sehr verwirrenden Mischung aus in alle Richtungen schüttelnden Köpfen. Das müssen wir definitiv nochmal einstudieren.

Die in der ganzen Stadt gezündeten Feuerwerkskörper und Raketen boten einen passenden Rahmen für einen so spannenden Tag der indischen Mixtur aus Weihnachten und Silvester. Allerdings waren sie aus der Sicherheit des Autos heraus etwas weniger beunruhigend als während unserem fluchtartigem Weg vom Auto hin zum Hoteleingang. Das gelegentliche Knallen in Deutschland mit Sicherheit niemals zugelassener Böller sollte uns diese und auch die nächsten Nächte in Mumbai zumindest actionreiche Abenteuer-Träume bescheren. Unsere 12 Stunden wachen Zustands waren schon längst überdehnt und so versprach uns wohl auch der nächste Tag keine Chance auf ein frühes Aufstehen.

Robin

Der Ersteller und Maintainer dieses Blogs. Außerdem scheint er gerne zu jonglieren...

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