Nach unserem ersten durchschlagenden Erfolg zur Erforschung des Urschweins sind natürlich einige Fragen offen geblieben. Wir haben tausende Anfragen zu unserem Bericht erhalten, Rückfragen und Anmerkungen haben uns die letzten Wochen auf Trab gehalten so dass lange keine Zeit für die Fortsetzung unserer so bahnbrechenden Arbeit war. Nun haben wir allerdings während unserer weiteren Reise eine Vielzahl an unterschiedlichsten Hinweisen zur Verbreitung des Röchlers feststellen müssen, da juckte es uns einfach zu sehr am Röchelnacken die weiteren Wesenszüge einer schicksalsbehafteten Massenwanderung zu erforschen.

Vielleicht aber ein paar Kommentare zu Beginn. Die Forschung die hier betrieben wurde und immer noch wird hat keinesfalls die Absicht, den ein oder anderen Röchler von seinem hohen Ross zu werfen. Uns ist klar, dass viele der Rundnasen sich vor die Schnauze gestoßen fühlen könnten wenn sie mit den Tatsachen konfrontiert werden, die wir in müsahmster Kleinstarbeit ans Tageslicht gebracht haben. Auch sollte sich ein jedes vernunftbegabtes Schwein darüber im Klaren sein, dass die Geschichtswissenschaft und die Röchelforschung im Besonderen ein Forschungsobjekt ist, das sich im stetigen Wandel befindet. Sobald also neue Erkenntnisse aufkommen gilt es, alte Interpretationen zu reevaluieren, auf dass sich kein Schnüffler im Angesicht seiner Vorfahren übertrampelt fühlt. Und zuletzt ist festzustellen, dass sich die Pfade der frühen Röchler ebenso verschlungen bewegten wie sich ihre Kringelschwänze kräuselten, vielleicht gibt es sogar eine gewisse Korrelation zwischen beiden Phänomenen. Diese Frage können wir aber getrost an ein anderes Forschungsfeld übergeben, sie soll unsere klaren Blicke auf die Vergangenheit noch nicht zu sehr trüben. Doch lasst uns nun zum Kern unserer Arbeit vordringen, der Frage: Was geschah mit den Urröchlern nachdem sie im antiken Ägypten gespaltene Klaue gefasst hatten. Was bewog sie, das Land ihrer Urväter mitsamt seinen beeindruckenden Bauwerken zu verlassen? Wohin ging es für die Rundnasen?

Erste Hinweise auf den Lebensalltag im sich langsam entschweinenden Ägypten können sich aus neuesten Papyri-Funden erahnen lassen. So schreibt Pigyptus Feinklaue in der späten ptolomäischen Periode (300 v.Chr. - 30 v.Chr.) an einen ungenannten Freund:

„Ach, wie plaget mich schon wieder men rechten Hauer. Wenn du nur ein Wundermittel dem Gott Amun-Schnauz entnehmen könntest auf dass mein ewig Siechtum baldig endet. So sende doch auch meiner liebsten Schwester einen feuchten Schmatzer entgegen, auf dass ihr das Übel der Zahnfäule nicht das Leben versaut. Lass Sie bitte noch etwas inbrünstiger Beten, dem Dicksten zu, und finden einen prall gefüllten Futternapf ganz ohne Hintergedanken. Ich grüße dich und wünsche dir nur das feinste Futter lieber Freund! Lass den Dicksten seinen Tempel in Theben in Ruhe beschnüffeln, lass ihn suhlen in deinem Grund, lass ihn kratzen woran es ihm beliebt! P. Feinklaue“

Diese und andere gefundenen Papyri zeugen eindrücklich von den Sorgen und Hoffnungen der höheren Rundnasen. Sie wurden erst kürzlich aufwendig aus dem Alt-Grunz übersetzt und harren seitdem in einem ägyptischen Archiv Alexandrias einer näheren historischen Betrachtung. Deutlich wird aber schon aus diesem ersten Brief, dass Pigyptus mit massiven Zahnproblemen zu kämpfen hatte. Ihn plagt wohl schon des längeren seine schlechte Schnauz-Hygiene und so wünscht er seiner Schwester, vermutlich die Angetraute des Empfängers, ein wegbleiben derselben Schmerzen. Es ist also anzunehmen, das Pigyptus es für wahrscheinlich hielt, dass seine Schwester ein ähnliches Leiden befallen könnte. Vielleicht ein erster Hinweis auf ein pandemisches Problem größeren Ausmaßes?

Wie intensiv die Zahnproblematiken des Pigyptus wirklich waren lässt sich erst durch die in den letzten Wochen neu attributierten Hauer feststellen. Gefunden in einem unscheinbaren Hinterhof-Museum in Kairo findet sich dort der originale Hauer des Briefeschreibers, und der Zustand in dem er ausgestellt ist spricht vermutlich Bände über die Leiden des antiken Röchlers. Ein Schweizer Käse wäre Stolz auf die fast schon künstlerisch-gleichmäßig verteilten, löchrigen Mundwerkzeuge der einst so stolzen Rundnase.

Die letzte Zeile der Nachricht enthält eine ritualisierte Grußformel die in nahezu allen Nachrichten der Epoche enthalten ist. Sie zeugt von einem großen Respekt gegenüber dem sogenannten „Dicksten“. Dabei ist anzunehmen, dass es sich hier um den deifizierten Pharao Pigdolomäus IV. handelt. Diesem scheint es nicht an Futtermittel und Vergnügen zu mangeln, so waren ihn wohl die prächtigen, über das ganze Land verteilten königlichen Suhlgruben zueigen. Ein Privileg, das einfacheren Zeitgenossen aller Wahrscheinlichkeit nach vorenthalten blieb.

Nimmt man diese Interpretationen und die Tatsache zugrunde, dass die spätägyptische Zeit von Futternotständen und regelmäßigen Ernteeinbrüchen geprägt war ist es nicht allzu weit hergeholt, zu vermuten, dass die ägyptischen Urschweine oder deren kringelschwänzigen Nachfahren Zuflucht in ihrer durch Zahnhygiene dominierten Religion suchten. Nach einer kurzen Online-Recherche fanden wir letztlich heraus, dass das heilige Jordanland und besonders dessen Zentrum in Petra weithin bekannt für seine führende Zahnhygiene war.

Wir hatten also einen neuen Anhaltspunkt und machten uns auf die beschwerliche Reise. Vorbei an unheilvollen Orten wie dem toten Meer oder der roten Wüste Wadi Rum (rot war schon jeher eine bipolare Farbe für wahre Röchler. Einerseits als Teil des Ferkel-Pinks ein Vorbote für Glück und Wohlstand, andererseits besonders in neueren Zeiten Symbol des schweinetötenden Röchelcaust.). Hinter diesen Orten fanden wir letztlich einen neuen Hinweis auf das Verbleiben des Urschweins nach seinem Verschwinden aus Ägypten.

Direkt im Haupttempel Petras wurden wir durch einen lokalen Bedhouinen auf ein Heiligtum alter Geschichte aufmerksam. Es zeigt einen bestürzenden Ansehensverlust und eine sich anbahnende Neuordnung der antiken Gesellschaftsstruktur. Auf ihr zu sehen: Eine vermenschlichte Gottesdarstellung die einen Röchler mit seinem eigenen religiösen Zahnbürsten-Zepter in seine Schranken verwies. Diese älteste Darstellung des symbolischen Rüssel-Rüffels konnte nichts Gutes bedeuten. Auch wenn uns einige der Puzzlestücke fehlten wurde immer offensichtlicher, wie sehr der Röchler, vielleicht sogar ein direkter Nachfahre Pigyptus', hier in aller Öffentlichkeit gedemütigt wurde. Ein Schandmal in Sandstein gehauen. Dieser Bätyl, wie die antiken Steinkult-Relikte genannt werden, sollte unsere Sorgen um den Verbleib der Urröchler aufs Neue anfachen.

In einer prominenten byzantinischen Kirche in der Nachbarschaft des Bätyls fanden wir, neben anderen wunderhaften Darstellungen eher niederer Säuger, auch ein weiteres, kunstvoll ausgearbeitetes Röchelmosaik. Doch was uns auch Grund zur Hoffnung gab die Hochröchel-Kultur sei nicht ausgestorben brachte weitere, vielleicht sogar beängstigendere Impulse mit auf den Weg. War doch der Röchler, ganz im Gegensatz zu seiner natürlichen Position an der Spitze der Futterkette auch hier nur als eines von vielen Wesen für die Ewigkeit hinterlassen worden. Das musste also einen massiven Sturz in der Anerkennung des Kringels bedeutet haben, einen Sturz, den ein so stolzes Volk möglicherweise nicht für längere Zeit ertragen könnte. Kein Zweifel, nur wenig könnte ein friedliebendes Tier wie das Röchelschwein zu Gewalt oder Widerstand anstacheln, sind doch auch heutzutage Rundnasen die demütigsten und anpassungsfähigsten Säuger auf unserem Planeten. Aber die Schmach vom wichtigsten Gesellschaftsmitglied zu einem gewöhnlichen degradiert worden zu sein. Das musste über dick oder rund Unheil bedeuten.

Es zog uns also weiter gen Osten, wo wir, unsere Vorfahren imitierend, den Weiterzug der Dickschwarten vermuteten. Nach einiger Zeit intensivster Suche in West-Indien, wir versuchten zum Beispiel auf mehreren Surfboards und in Affentempeln unser Glück, mussten wir feststellen, dass die Urschweine, so sie denn ihren Weg hierher genommen hatten, damals wohl nur schwer Klaue fassen konnten. Es gab fast keine steinernen Zeugnisse eines gekrümmten Schweifs und die Rundnasen hielten sich auch sonst im Verborgenen. Wiedereinmal standen wir also vor der Aufgabe, unsere Theorien in den Wind zu schlagen und einen neuen Ansatz auszuprobieren. Wir forschten nach den Motiven unserer Vorgrunzer und kamen letztlich auf die Idee, unsere Schnauzen weiter gen Osten zu richten. Vielleicht war die Küste einfach nicht mehr zeitgemäß für ein sich im Groll befindliches Volk stolzer Spalthufer.

Einen letzten Versuch mussten wir also im Zentrum Indiens wagen, und so reisten wir schnell ab nach Hampi, der Metropole des religiösen Lebens früherer Zeiten. Nach einigen Missverständnissen mit der lokalen Bevölkerung, nein, wir wollten keine Schweineschwarte essen, wir wollten sie nur finden, ließ man uns letztlich auf das weitläufige Gelände. Wir drehten jeden Stein um, suchten noch in den hintersten Ecken der Anlage nach den uns so ersehnten Anzeichen eines Schnüfflers und wurden am dritten Tage endlich belohnt. Aber was sich in Jordanien nur als ungutes Schwartengefühl herausgebildet hatte musste sich nun leider in seinen dramatischsten Wesenszügen bewahrheiten. Es war wohl vorbei mit der friedliebenden Urröchel-Gesellschaft, vorbei mit den Schnauze an Schnauze lebenden liebevollen Urwesen die wir noch in Ägypten vorgefunden hatten. Alle Anzeichen deuteten auf eine schwerere, blutigere Zeit hin.

Das Schwein, dass wir fanden, war wie angenommen ein stolzes Tier. Allerdings zog es wohl einen Großteil seines Stolzes aus der Hoffnung auf eine blutigere, glorreiche Zukunft. Mit einem verheißungsvollen Blick deutete es an, dass die Zeiten der Harmonie vorbei sein würden. Vor sich ein scharfes Schwert der Vergeltung schaute es mit dem ernsten Blick eines unerbittlichen Kämpfers in die Ferne, die sie vielleicht ins Verderben der Röchler führen sollte. Umso nachdrücklicher drückt es zur selben Zeit auch einen stolzen, aber sicher auch taktischen Kotballen aus seiner speckigen Hinternschwarte. Die Darstellung war Propaganda in schweinstform. Weit in den Norden sollte es sich wenden, die Klingen rasselnd machte es sich auf, ein neues Habitat für sich zu beanspruchen und dabei schien es nur verbrannte, stinkende Erde hinterlassen zu wollen.

Mit diesen unheilverkündenden neuen Erkenntnissen müssen wir aber leider vorerst unseren Bericht pausieren. Zu viel gilt es zu verdauen, zu tief sitzt der Schock über diesen Wandel hin zur Gewalt. Wir werden unsere Forschungen wohl erstmal in Richtung des heutigen Nepals ausweiten müssen, das scheint das wahrscheinlichste Ziel der Kampfröchler.

Quellen
Den Brief von Pigypus, sowie weitere Texte findest du in dieser Sammlung
Für die Funde von Pigyptus Hauer und dem Bätyl hatten wir wiedereinmal großartige Hilfe von unserem röchelnden Kunstexperten