Pokhara, 6:45 Uhr
Nachdem wir uns früh aus dem Bett gezwungen haben torkeln wir geradewegs in ein Taxi Richtung Busbahnhof Pokhara. Kaum die Augen aufhaltend verhandelten wir zum Glück des Taxifahrers kaum und werfen uns mitsamt Gepäck auf die Rückbank.

Pokhara, 7:30 Uhr
Ein paar Rumpler und ein heftiges herumzerren vor einer Reihe Busse später sitzen wir letztlich im Bus nach Bandipur. Nachdem alle Busfahrer auf der Straße uns versichert hatten, sie würden sofort abfahren und wir überhaupt keine Unterschiede in den jeweiligen Angeboten feststellen konnten hatten wir uns nach den Zufallsprinzip ein ramponiertes Gefährt ausgesucht.

Immernoch in Pokhara, 9:47 Uhr
Die letzten beiden Stunden sind wir keine 2 Kilometer vorangekommen. An sich eine durchschnittliche Geschwindigkeit in einer nepalesischen Innenstadt, aber aufgrund der minütigen Stopps die unser Bus an scheinbar unbewohnten Straßenecken macht um auch die letzten wackligen Sitze zu füllen etwas frustrierend. Ein Tourist wird zur voll besetzten hinteren Bank geführt und fast vom Busfahrer dazu überredet, sich zwischen uns zu setzen. Unser Nebensitzer zeigt auf den scharfkantigen, 20 Zentimeter langen Metallhebel zwischen uns der sein Sitz hätte sein sollen und sagt zu ihm: „A Life changing experience“. Das überzeugt ihn und er sucht sich einen anderen Bus. Glück für die Geburtenrate in Holland.

Irgendwo außerhalb Pokharas, 11:20 Uhr
Neben mir wandert einer der wenigen unbesetzten Sitze langsam den Busflur entlang nach vorne. Während ich mich noch frage was er da vorne sucht scheint ansonsten niemand wirklich interessiert an der plötzlich entfachten Reiselust des Sitzpolsters.

Berghang, 11:34 Uhr
Die letzten Minuten waren geprägt von einer Bergstraße die ungefähr 25cm weniger breit ist als unser Bus. Maren schaut aus dem Fenster. Maren schaut mich geschockt an. Ich schaue aus dem Fenster. Nichts. 500 Meter tiefes nichts. Ich schaue Maren geschockt an. Zur Bestätigung sehe ich aus dem Augenwinkel, wie ein Stückchen „Straße“ den Absprung ins Tal hinunter wagt. Ich schaue Maren noch ein wenig geschockter an und zweifle an meinen Bedenken zur Religion.

Irgendwo außerhalb Pokharas, 11:40 Uhr
Gott sei Dank ist die Bergstraße einer Buckelpiste gewichen. Auch mein eigenes Sitzpolster scheint dem Geist der Zeit folgen zu wollen und macht Anstalten, sich in Richtung Rumpelstilzchen zu begeben, so nenne ich insgeheim unseren Busfahrer um mir seine Vorliebe für Schlaglöcher zu erklären. Angestachelt von der immer ruppigeren Straße die jedes zerbombte Niemandsland im ersten Weltkrieg vor Neid hätte erblassen lassen scheint der Sitz weniger denn je bereit, meinen schmerzenden Hintern weiter auszuhalten.

WUMMMMMSSSS
Ort unklar da kurzzeitige Besinnungslosigkeit, vmtl. 11:42 Uhr
Maren hält sich schmerzverzerrt den Kopf während ich nicht wage, mein Hinterteil zu betasten. Gerade ist unser Bus in voller Fahrt in ein besonders tiefes Schlagloch gefahren was uns aus dem Sitzen heraus an die Busdecke katapultiert hat. Die Busdecke hat, nach näherer Betrachtung keinen bleibenden Schaden abbekommen, bei Maren gilt es abzuwarten. Auch mein Sitz hat sich an der Hüpfaktion beteiligt so dass ich ihn aufs Neue auf seinen Platz zurückverweisen muss. Immerhin, überlege ich schnell, brauche ich keinen Orthopäden mehr. Die Wirbelsäule hat sich gerade von selbst wieder eingerenkt.

„Autobahn-Raststätte“, 12:30 Uhr
Rumpelstilzchen hält kommentarlos an einer Raststätte direkt neben der Buckelpiste die sich Nepals zentrale Autobahn nennt. Auf uns allein gelassen interpretieren wir die Situation möglichst optimistisch und suchen uns am Straßenrand etwas kleines zum Knabbern. Unsere Auswahl fällt auf ein paar verruste Mandarinen, die sich im Nachinein als lecker herausstellen.

„Autobahn-Raststätte“, 12:45 Uhr
Genüsslich unsere Mandarinen essend stören wir uns nur wenig an den lauten Hupgeräuschen in unseren Rücken. Irgendwann erbarmt sich ein Mitreisender und macht uns auf den entnervten Busfahrer aufmerksam, der direkt hinter uns versucht hatte, alle, oder zumindest mehr als 85% der Fahrgäste, wieder in den Bus zu hupen. Weiter geht’s.

14:50 Uhr
Wir entscheiden nach kurzer Abstimmung, nicht mehr unsere Handys zur Ortsbestimmung zu verwenden. Zu oft wurden wir enttäuscht von der bis dato zurückgelegten Distanz.

14:57 Uhr
Teilnahmslos schauen wir in die in Tränen aufgelösten Augen einiger Touristen deren Bus am Straßenrand angehalten hat. Der platte Reifen den es zu reparieren gilt ist ein Schicksal, das wir nicht nachempfinden wollen. Augen auf bei der Buswahl sagen wir uns und klemmen uns zurück in die Reste unserer Sitzgelegenheiten.

16:10 Uhr
Feierlich schälen wir die letzte verbliebene Mandarine unter den neidischen Blicken unserer ausgehungerten Mitreisenden. Der Duft erfüllt den ganzen Bus und erhöht so automatisch unsere Essgeschwindigkeit, zu groß ist die Furcht vor den immer unfreundlicheren Blicken unserer Nachbarn.

16:13 Uhr
Mir ist mittlerweile schlecht von der letzten Mandarine und ich halte mich, nach etwas mehr Halt suchend, an der Gepäckablage fest. Dabei entdecke ich per Zufall, dass meine Hand an der auf 120% Lautstärke aufgedrehten Musikbox die magische Fähigkeit entwickelt hat, das Volumen der eintönigen Musik etwas zu reduzieren.

16:20 Uhr
Mein Arm ist mittlerweile am Ende seiner Kräfte und kapituliert letztlich dem tiefen Wummern der hinduistischen Gottesverehrung. Wieder frustriert, aber diesmal mit schmerzendem Arm, konzentriere ich mich darauf meinen Sitz von seiner Reiseunfähigkeit zu überzeugen.

17:45 Uhr
Unser Bus hält mitten in Bandipur, oder zumindest vermuten wir das aufgrund der Endgültigkeit, mit der der Motor langsam seinen Lärm reduziert. Die durch das ständige Rumpeln in Trance geratenen Fahrgäste bemerken gar nicht, dass wir angekommen sind und bleiben weiter eingezwängt sitzen.

Bandipur, 18:00 Uhr
Wir halten einen kleinen Dankesgottesdienst vor dem im Sterben liegenden Mercedes-Motor und danken ihm für seine ausdauernde Arbeitshaltung. Der Bus spuckt unsere in der Zwischenzeit äußerst dreckigen Rucksäcke aus seinem Hinterteil aus und wir machen uns auf den Weg zu unserem Hotel.

Hotelzimmer in Bandipur, 02:00 Uhr morgens
Schweißgebadet wache ich aus meinem Albtraum auf, immernoch die herzzerreißenden Blicke der liegen gebliebenen Touristen vor meinem inneren Auge. Ich danke Don Dunlop noch einmal für seine widerstandsfähige Reifenkunst und schlafe unter Schwierigkeiten wieder ein. Immerhin wartet schon bald die nächste Busfahrt durch Nepal auf uns.